Alles über Tourenski
Aufbau – Geometrie – Einsatzzweck
Die Ski sind die Basis einer jeden Skitourenausrüstung. Als Skibergsteiger hat man dabei die Qual der Wahl aus einem breiten Angebot vieler Hersteller. Für den Laien unterscheiden sich die meisten Tourenski auf den ersten Blick nur durch unterschiedliche Längen und Breiten. Grundsätzlich ließe sich mit jedem davon aufsteigen und abfahren sofern man sie mit Tourenbindung und Steigfellen bestückt. Den Spaßfaktor kann ich aber beachtlich steigern, wenn ich einen Tourenski wähle, der zu mir passt und dessen Eigenschaften für die jeweilige Unternehmung optimiert sind.
Ein passender Tourenski ist auf Fahrkönnen, Fahrstil, Größe und Gewicht des Fahrers abgestimmt, Foto: Markus Stadler
Funktionalität und Preis
Welche Bretter sind nun die Richtigen für mich? Ob ein Ski zu mir und meinem Budget passt hängt zuerst einmal vom Preis ab. Dieser wird nicht nur von Funktionalität und Qualität bestimmt, sondern auch von Modetrends, Marketing und Design. Wie weit funktionelle Unterschiede Auswirkungen auf das Fahrvergnügen haben, liegt hingegen oft am Skifahrer selbst. Ein Einsteiger oder sehr vorsichtiger Abfahrer, der im Stemmschwung talwärts kurvt, wird die Performance eines High-End Skis weniger merken wie ein sportlicher Freerider, der seine Turns bei hohem Tempo fährt. Trotzdem kann man einem Anfänger das Leben mit einem guten, für ihn passenden Ski spürbar erleichtern. Die Abfahrt ist aber beim Skibergsteigen nur eine Seite der Medaille. Die deutlich länger Zeit verbringt man mit dem Aufstieg, weshalb den Aufstiegseigenschaften (und hier vor allem dem Gewicht) besondere Bedeutung zu kommt.
Bei langen Aufstiegen ist man froh um einen leichten Tourenski, Foto: Markus Stadler
Aufbau eines Tourenskis
Entscheidend für das Fahrverhalten eines Skis sind neben seiner Geometrie besonders die Bauweise und sein Innenleben. Dabei unterscheidet man vier Konstruktionstypen:
- Bei der „Sandwichbauweise“ werden die verschiedenen Lagen (Belag, Dämpfung, Skikern, Zug-/Druckgurte und Deckel schichtweise übereinander geleimt und außen mit angeklebten Seitenwangen geschützt.
- Bei der Schalenbauweise werden sowohl der Deckel als auch der darunter befindliche Druckgurt seitlich um den Kern bis zur Kante herabgezogen.
- Bei der Torsionsbox ist der gesamte Kern nochmal mit einer massiven Carbon- oder Glasfaserummantelung ausgestattet, die Druck- und Zuggurt ersetzt.
- Die sog. CAP-Bauweise bedeutet, dass nur der Kunststoffdeckel seitlich bis zu den Kanten hinabgezogen wird.
Oftmals werden auch Kombinationen aus diesen Bauweisen verwendet. Grundsätzlich sind Torsionsbox- und Schalenbauweise die hochwertigeren Konstruktionen, womit sich die stabilsten Ski herstellen lassen. Die CAP-Bauweise hingegen ermöglicht sehr leichte Ski, allerdings auf Kosten der Stabilität und Langlebigkeit.
So kann der Aufbau eines Tourenski aussehen. Hier ein Beispiel der Firma Dynafit. (Quelle: Dynafit.com)
Das Innenleben einer solchen Skikonstruktion besteht nun von oben nach unten aus dem Druckgurt, dem Skikern und dem Zuggurt. Der Skikern wird bei hochwertigen Ski aus verschiedenen, miteinander verleimten Holzteilen hergestellt. Bei den günstigen Modellen besteht er aus Hartschaum. Die Torsionssteifigkeit (Torsion =Verwindung des Skis um die eigene Achse) und Druckverteilung über die gesamte Länge des Skis wird aber vor allem durch Druck- und Zuggurt bestimmt. In der Sandwich-Bauweise sind das dünne Metallplatten (Aluminium, Titanal). Wer schon mal ein Metallblech länger hin- und her gebogen hat, kann sich daher vorstellen, wieso die Ski mit zunehmender Lebensdauer an Steifigkeit verlieren. Bei der Cap-Bauweise werden oft nur schmale Metallstreifen oder gar Drähte eingeschäumt, die praktisch keinen Widerstand gegen die seitliche Verwindung bieten.
Die Stabilität eines Skis wird also aus der Kombination von Bauweise und verwendeten Material bestimmt. Ein hochwertiger, abfahrtsorientierter Tourenski zeichnet sich durch genügend Stabilität aus, um bei höherem Tempo ruhig zu bleiben – weiche Bretter beginnen dann zu »flattern«. Auch der Kantengriff in hartem Schnee bzw. auf vereisten oder mit Kunstschnee präparierten Pisten erfordert ausreichend Torsionssteifigkeit.
Die Skigeometrie
Taillierung (Sidecut)
Moderne Tourenski sind alle mehr oder weniger stark tailliert. Das bedeutet, dass die Skibreite unter der Bindung geringer ist als vorne an der Schaufel (Tip) und hinten am Heck (Tail). Heutzutage messen klassische Tourenski in der Mitte zwischen 80 und 90 mm, eher abfahrtsorientierte Modelle bis etwa 100 mm und breite Freeride-Latten über 110 mm. Dabei sind schmälere Ski grundsätzlich leichter (angenehm im Aufstieg) und wendiger in der Abfahrt. Je breiter die Ski, desto besser schwimmen sie auf und erhöhen so den Spaß in der Abfahrt bei sehr tiefem oder auch in schlechtem Schnee.
Wie stark sie sich nach vorne und hinten verbreitern gibt der sog. „Radius“ aus, der bei durchschnittlichen Tourenskiern zwischen 15 und 20 Metern liegt. Ein kleinerer Radius (also eine stärkere Taillierung) wirkt sich eher positiv auf die Drehfreudigkeit aus, allerdings hängt diese auch von Form und Stabilität der Schaufel und des Skiendes, sowie vom Rockerstyle ab. Je steiler das Gelände bzw. je härter die Schneeoberfläche im Aufstieg ist, desto ungünstiger sind sehr stark taillierte Ski, da der Kantengriff unter der Bindung durch die Taillierung schlechter wird oder zumindest mehr Druck erfordert. Wichtig ist in diesem Zuge zu erwähnen, dass die Steigfelle exakt auf die Taillierung der Ski angepasst werden müssen um optimalen Halt im Aufstieg zu gewährleisten.
Rocker
Rockerbauweise eines klassischen Tourenski
Rockerbauweise eines klassischen Tourenskis
Bei der Rocker-Bauweise wird die natürliche Vorspannung der Ski reduziert. Durch eine längere, flache Schaufel und ein aufgebogenes Ende des Skis vermindert sich die Auflagefläche auf dem Schnee und verlagert sich von den Skienden weiter in Richtung Bindung. Die Rocker-Ski lassen sich dadurch im Tiefschnee kraftsparender drehen und sind fehlerverzeihender zu fahren. Nachteile liegen eher im harten Gelände, wo tendenziell geringerer Kantengriff und schlechtere Laufruhe bei hohen Geschwindigkeiten in Kauf genommen werden müssen. Inzwischen gibt es unzählige Unterformen/Varianten der Rocker-Bauweise, wobei sich für Tourenski vor allem die „Tip-Rocker“ (Aufbiegung nur an der Schaufel) etabliert haben.
Einsatzzweck
Die Spannbreite im Angebot an Tourenski ist enorm und nicht jeder Ski ist für jeden Einsatzzweck geeignet. So lassen sich mit einem Wettkampfski fürs Skibergsteigen kaum vernünftige Turns bei höherer Geschwindigkeit fahren und mit einem 110 mm Freerideski möchte ich auch keine mehrtägige Skidurchquerung mit schwerem Gepäck und langen Tagesetappen machen.
Allround-Tourenski
Diese eierlegende Wollmilchsau für Tourengeher kann Aufstieg wie Abfahrt, Pulver wie Piste und ist leicht und stabil. Natürlich wird ein Ski aus dieser Kategorie nirgends Spitzenwerte aufweisen, aber ein erfahrener Skibergsteiger sollte damit in nahezu jedem Gelände und bei allen denkbaren Bedingungen gut zu Recht kommen. Der Ski sollte bei einer Breite von ca. 80-90 mm unter der Bindung eine eher moderate Taillierung aufweisen. So läßt er sich im Aufstieg noch erträglich handeln und bietet trotzdem genügend Auftrieb für die allermeisten Tourentage im Winter. Ein leichter Tip-Rocker sorgt für Drehfreudigkeit im Tiefschnee und verzeiht auch den ein oder anderen Fahrfehler. Als Längenempfehlung würde von ca. Körpergröße -15 cm (Anfänger mit geringem Gewicht) bis ca. Körpergröße +5 cm (Fortgeschrittene mit eher großem Gewicht) raten.
Allround-Tourenski sind gerade in den waldigen Skitouren der Voralpen ideal, Foto: Markus Stadler
Tourenfreerider
Die echten Freeride-Freaks belächeln einen Tourenski mit einer Mittelbreite unter 110 mm zwar nur müde, aber die wenigsten unter ihnen bewältigen damit auch nennenswerte Aufstiege. Ein eindeutig abfahrtsorientierter Ski, mit dem man aber trotzdem die Aufstiege gängiger Skitouren unternehmen möchte, wird daher in den meisten Fällen schmaler ausfallen. Powderspaß kann man auch schon mit 95 oder 100 mm unter der Bindung haben. Breitere Tourenski passen oft kaum mehr in vorhandene Aufstiegsspuren und benötigen überproportional viel Kraft bei anstollendem Schnee (am Fell aber auch auf der Skioberseite!). Im Gegensatz zum Allround-Ski sollte ein Tourenfreerider nicht nur mehr Auftrieb haben, sondern auch sehr sportlichem Fahrtempo Stand halten. Beides – die größere Breite und höhere Stabilität – bedeutet ein höheres Gewicht. Trotzdem gibt es von einigen Herstellern in dieser Kategorie vergleichsweise leichte und gleichzeitig fahrstabile Modelle. Die Längenempfehlung reicht von Körpergröße –10 cm (defensive Skifahrer, leichtes Gewicht) bis zu Körpergröße +10 cm (sportliche, eher schwere Skifahrer).
Spezialski für Wettkämpfe und Extrembergsteiger
Für Einsatzbereiche am Leistungslimit kommt dem richtigen Material die oft entscheidende Bedeutung zu. Wenn bei einem Skitourenrennen nach 1000 Höhenmetern Aufstieg letztendlich nur wenige Sekunden Sieger und Verlierer trennen, dann können ein paar Gramm zu schwere Ski die Ernte einer langen Trainingsperiode zunichte machen. Daher gibt es spezielle ultraleichte Wettkampfski, die aber weder fahrstabil noch langlebig sind. Demgegenüber braucht der ambitionierte Skibergsteiger für anspruchsvolle Unternehmungen mit Steilwandabfahrten zwar relativ leichte (also schmale) aber trotzdem sehr stabile Ski mit eher geringer Taillierung.
Fazit: Die Auswahl des „perfekten“ Tourenskis erfordert viel Fach- und Materialwissen, aber auch eine gute Selbsteinschätzung und eine genaue Vorstellung über den Einsatzzweck. Ich empfehle dazu jedem eine ausführliche Beratung in einem kompetenten Fachgeschäft und wenn möglich ein paar Testfahrten mit dem Wunsch-Ski.
Autor: Markus Stadler
Quelle
Lehrbuch Skitouren
Lehrschrift Skitouren, Markus Stadler, Bergverlag Rother, 3. Auflage 2019
Der Artikel basiert zum Teil auf dem Ausrüstungskapitel dieses Lehrbuchs.